Wir dürfen uns den Bahnbetrieb nicht nehmen lassen!
Die Entscheidung von Verkehrsministerin Kerstin Schreyer hat die Region wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen.
Ohne Vorwarnung hat das Staatsministerium am Montagmittag (24.08.2020) eine Presseerklärung herausgegeben und die Einstellung des Probebetriebes auf der Bahnstrecke Gotteszell-Viechtach zum September 2021 angekündigt. Das war scheinbar weder mit den politischen Vertretern der Region und der Landrätin, noch mit der Bayerischen Eisenbahngesellschaft nicht abgestimmt oder vorangekündigt.
Petition "Rettet die Waldbahn in Bayerisch Kanada"
Das haben wir zum Bahn-Probebetrieb recherchiert:
Gemeinsames Gutachten von BEG und Landkreis Regen
Im März wurde das übergeordnete ÖPNV-Gutachten, das die Bayerische Eisenbahngesellschaft zusammen mit dem Landkreis Regen erarbeiten hat lassen, abgeschlossen. Schon die Zwischenpräsentation bei der Sitzung des Kreistages im Dezember 2019 ließ erkennen, dass man mit den vier Streckenabschnitten der Waldbahn auf einem guten Weg ist, den öffentlichen Verkehr im Landkreis Regen zukunftsweisend aufzustellen.
Der Abschlussbericht zum Gutachten, der auf der Homepage des Landkreises veröffentlicht ist, geht von einer positiven Prognose für die Bahnstrecke Gotteszell-Viechtach aus. Sehen Sie hierzu insbesondere Seite 61 des Berichts.
Allerdings hat der Landkreis einige Hausaufgaben zu machen, um dieses Ziel zu erreichen. Das Gutachten macht dazu Handlungsempfehlungen, wie durch integrierte Verkehrsverbesserungsmaßnahmen mehr Fahrgäste auf Busse und die Schiene gebracht werden können. Zur Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen hat der Kreistag erhebliche Mittel in den Haushalt eingestellt.
Es wird ein Rätsel bleiben, weshalb die Staatsregierung dieses Gutachten nicht als geforderte Prognose im Sinne der selbstgemachten Reaktivierungskriterien anerkennt.
Das Gutachten zusammen mit den nachweislich steigenden Fahrgastzahlen -trotz der bestehenden Planungsunsicherheiten im Probebetrieb- sollte eigentlich als Beweis ausreichen!
Die bayerischen Reaktivierungskriterien
Unter diesen Voraussetzungen stimmt die Bayerische Staatsregierung einer Bahn-Reaktivierung zu:
- Eine Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergab, dass eine Nachfrage von mehr als 1.000 Reisenden pro Werktag zu erwarten ist (1.000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).
- Die Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, die einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
- Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist bereit, die Strecke und die Stationen dauerhaft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der Deutschen Bahn nicht übersteigen.
- Die ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.
Wir sind der Ansicht, dass eine "Schreibtisch-Prognose" die 1.000 Reisenden-Kilometer bei Optimalbedingungen errechnet.
Beim Probebetrieb soll diese Zahl bereits unter "unfertigen" Rahmenbedingungen - wie zum Beispiel dem fehlenden funktionierenden ÖPNV oder fehlender Planungssicherheit - erreicht werden.
Wir sehen darin eine Schlechterstellung.
Zum Beispiel ist die Fahrgastnachfrage stark abhängig von Streckensperrungen und Bautätigkeit auf der Waldbahn-Hauptstrecke. Allein im letzten Jahr gab es witterungsbedingt über Wochen Schienenersatzverkehr auf den Waldbahnstrecken. Aufgrund der längeren Reisezeiten im Bus und wegen nicht erreichten Anschlusszügen war die Nutzung der Waldbahn stark eingeschränkt.
Im übrigen ist zum Beispiel von der Strecke Selb-Asch bekannt, dass hier laut Prognose das 1.000er-Kriterium erfüllt war, in der Realität aber nur rund 150 Fahrgästen gezählt wurden. Staatssekretär Eck wurde dabei in der Frankenpost vom 09.04.2018 sinngemäß zitiert, dass neue Angebote des Schienennahverkehrs erfahrungsgemäß eine gewisse Einspielzeit benötigen, bis sich die in einer Fahrgastprognose dargestellten Erwartungen in der Praxis realisieren.
Diese Bewertung erwarten wir auch für die Waldbahn! Hier wird bereits im Probebetrieb eine weit höhere Fahrgastzahl erreicht.
Die Reaktivierungskriterien sind nicht zeitgemäß und berücksichtigen nicht die Belange in ländlichen Regionen.
Denn es werden nur die Fahrgastzahlen an bayerischen Schultagen gewertet.
Für eine Urlaubs- und Freizeitdestination, die um eine klimaschonende Verkehrsentwicklung bemüht ist, fällt dadurch ein wichtiges Fahrgastpotential komplett aus der Bewertung. Es ist nicht plausibel, weshalb der werktägliche Verkehr mehr Bedeutung hat, als der Fahrgast am Wochenende.
Sachstandsbericht zum ersten Probebetriebsjahr
Der Landkreis Regen hat im Mai 2018 einen Zwischenbericht zu den Erfahrungen aus den ersten 18 Monaten des Waldbahn-Probebetriebes verfasst.
Der Bericht ist hier auf der Landkreis-Homepage abrufbar.
Insbesondere geht der Bericht auf die Bemühungen der Region ein und zeigt auf, welche Investitionen zur Betriebsaufnahme getätigt wurden und noch geplant sind.
Der damals auf zwei Jahre angelegte Probebetrieb wurde um weitere drei Jahre bis September 2021 verlängert. Ministerin Schreyer möchte nun, ohne Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Gutachten, bereits das AUS für diese Strecke einleiten.
Go-Vit e.V.
Der Mobilitätsverein Go-Vit e.V. unterstützt mit großem ehrenamtlichen Engagement den Bahnbetrieb und hat eine Fülle an Informationen zusammengestellt.
Zum Beispiel verweisen wir hier gerne auf die Sammlung der Pressemeldungen.